
Historie: Wie die Festplatte mit Millionenwert im Müll landete
2013 entledigte sich James Howells versehentlich einer Laptop-Festplatte, die den privaten Schlüssel zu seinem Bitcoin-Wallet enthielt. Zu diesem Zeitpunkt war Bitcoin noch wenig wert – doch inzwischen beläuft sich sein Verlust auf rund 750 Millionen US-Dollar. Die Festplatte wurde auf die Docksway-Deponie in Newport gebracht und liegt seit über zehn Jahren unter Tausenden Tonnen Müll.
Trotz jahrelanger Bemühungen verweigerte die Stadt Newport bislang jede Grabungserlaubnis – unter anderem aus Umweltschutzgründen. Auch ein Plan, mit Investoren eine auf KI-gestützte Suche zu finanzieren, scheiterte. Nun will Howells einen neuen Anlauf wagen und die gesamte Müllhalde kaufen, um uneingeschränkt nach der Festplatte zu suchen. Doch durch die geplanten Windkraftanlagen scheint das Zeitfenster für eine Bergung abzulaufen.
Technische Bewertung: Ist eine Datenrettung überhaupt noch realistisch?
1. Mit welcher Festplatte ist zu rechnen?
Die gesuchte Festplatte stammt aus den Jahren 2007–2009 und ist höchstwahrscheinlich eine 2,5-Zoll-HDD mit Perpendicular Magnetic Recording (PMR). Diese Technologie erlaubt eine hohe Datendichte, bringt aber Herausforderungen für eine spätere Rekonstruktion mit sich. Vor allem die Servo-Spuren, die für die Positionierung des Schreib-Lesekopfs benötigt werden, sind essenziell. Sind sie beschädigt oder korrodiert, ist ein normales Auslesen unmöglich.
2. Mit welchen Schäden ist zu rechnen?
Die Festplatte wurde jahrelang extremen Bedingungen ausgesetzt:
- Mechanischer Druck: Tausende Tonnen Müll könnten das Gehäuse deformiert oder die Platter (Datenscheiben) beschädigt haben. Falls Glas-Platter verbaut sind, besteht ein hohes Risiko, dass sie zersprungen sind.
- Feuchtigkeit und Korrosion: Feuchte Umgebung, Sickerwasser und chemische Reaktionen im Müll könnten zu Korrosion an den Kontakten, dem PCB und den Plattern selbst geführt haben.
- Temperaturschwankungen: Heftige Temperaturschwankungen von Frost bis Sommerhitze könnten Materialermüdung verursacht und die interne Elektronik irreparabel geschädigt haben.
3. Wahrscheinlichkeit, die Festplatte überhaupt zu finden
Selbst wenn Howells das Grundstück erwerben dürfte, bleibt das Problem der Lokalisierung der Festplatte. Die Mülldeponie wurde in den letzten zehn Jahren mehrfach umgeschichtet, verdichtet und neu angelegt. Ohne genauere Angaben zum Ablageort ist die Erfolgswahrscheinlichkeit extrem gering.
4. Welche Datenrettungsmethoden sind realistisch – und welche nicht?
Reale Methoden:
- Platter-Transplantation: Falls die Platter intakt sind, könnten sie in ein baugleiches Laufwerk eingebaut werden.
- Spezialreinigung: Entfernen von Schmutz, Korrosion und Ablagerungen zur Vorbereitung auf eine Leseeinheit.
- Reinraum-Imaging: Sollte die Elektronik unbrauchbar sein, könnte ein sektorweises Imaging erfolgen.
Spekulative und nicht realistische Methoden:
- Magnetic Force Microscopy (MFM): Oft als Lösung diskutiert, aber in der Praxis nicht anwendbar. MFM kann Magnetisierungsreste sichtbar machen, aber ohne Servospuren ist eine bitgenaue Rekonstruktion nahezu unmöglich. Zudem würde das Scannen einer ganzen Festplatte Jahre dauern und selbst dann nur unvollständige Daten liefern.
- Fehlerkorrekturmechanismen: ECC kann kleine Bitfehler korrigieren, aber keine ganzen zerstörten Sektoren wiederherstellen.
Gesamtaussicht: Gibt es überhaupt eine realistische Chance?
Selbst wenn Howells die Festplatte findet, ist eine Datenrettung extrem unwahrscheinlich. Die Kombination aus mechanischen Schäden, Korrosion und extremen Umweltbedingungen macht es nahezu unmöglich, verwertbare Daten zu extrahieren. Selbst mit unbegrenzten finanziellen Mitteln gibt es keinen bekannten Fall, in dem eine ähnlich lange Zeit verschollene und geschädigte Festplatte erfolgreich rekonstruiert wurde. Die von Howells vorgeschlagenen High-Tech-Suchmethoden sind beeindruckend, doch selbst wenn sie zum Erfolg führen, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die Wallet-Datei noch auslesbar ist, minimal.
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